FolkWorld-Artikel von Walkin' T:-)M:

www.folk-treff.de

Der Treff für Folk im Münsterland

In diesem Jahr begeht Deutschlands ältester Folkclub, der Folk-Treff Münster e.V., seinen 35. Geburtstag. Walkin' T:-)M blätterte in drei Jahrzehnten Folkgeschichte.

Natürlich ist Folkmusik auch in Münster keine Errungenschaft von 1968:

Im Jahre 1956 standen an einem sonnigen Frühjahrstag die originalen City Ramblers aus London, mit Russel Quaye als Leiter und Sylvia Sims als herausragende Sängerin auf dem Servatiiplatz, der damals natürlich noch ziemlich vom Krieg mitgenommen aussah. Eine solche Musizierform, nämlich Skiffle, Folksong, Gospel usw., war wohl vorher noch nie live in Münster aufgeführt worden. Bis eben auf Blues gab es damals in Deutschland nichts, was man mit der Folkszene heute verbindet. (FL)
Der englische Skiffle-Boom und die amerikanische Calypso-Welle veranlasst auch die Jugend im Münsterland, es Lonnie Donnegan und Harry Belafonte gleich zu tun. Aus einer Studentenzeitschrift entwickelt sich 1961 - nach einem Konzert von Dieter Süverkrüp in einer Münsterschen Studentenkneipe - eine Schallplatten-Abteilung, der auch heute noch existierende, sehr rührige pläne-Verlag. Mitte der 60er schließlich beginnt sich so etwas wie eine Folk-Szene zu formieren.

Die Folkinitiative
Im Keller-Gastraum der Gaststätte Schwarzes Schaf wurde ganz lose für einige Zeit ein Abend in der Woche oder seltener für einen Folktreff reserviert. Hier gab's in erster Linie ein Stelldichein der Aktiven. Man produzierte sich. Oft waren mehr Aktive als Zuhörer anwesend. Das Publikumsinteresse an Folk und Chanson war damals auch sehr gering. Allenfalls hielt das breite Publikum etwas von Esther & Abi Ofarim und City Preachers. Münster selbst verfügte auch über eine vorzeigbare Gruppe auf dieser Linie, die Minnesingers. Folklore aus erster Hand fehlte bis auf Blues, selten Spirituals und Konzerte mit Folk aus angelsächsischen Ländern.

Im Sommer 1968 wurde der endgültige Entschluss zur Gründung eines Folkclubs in Münster gefasst. Als Muster dienten englische Clubs. Als Name wurde Hy Brasil gewählt. Das ist ursprünglich der Name einer sagenhaften Insel mitten im Atlantik südwestlich von Irland, die ähnlich Atlantis vielleicht nie bestanden hat. Fischer an der irischen Westküste hatten einer Folkclub-Vorläufer-Exkursion erklärt, Hy Brasil sei die imaginäre Insel der Barden. (FL)
Hy Brasil, eine Insel in weiter Ferne, von glänzenden Meeresrossen umspielt. Kein harter Laut beleidigt das Ohr, nur süße Musik hört man tönen. Der erste nicht-gastronomische Folkclub in Deutschland, in den folgenden Jahren vielfach kopiert, beginnt sein Programm am 17. Oktober 1968 mit einem Gastspiel von Banjoman Derroll Adams. Iain Mackintosh & Hamish Imlach

Der Folkclub will nicht nur mit vereinzelten Konzerten, sondern mit einem Team und einer ständigen öffentlichen Kulturarbeit die Folkszene auch über die Stadt Münster hinaus beeinflussen. 1974 wird der Folkclub in einen gemeinnützigen Verein übergeführt und als Folk-Initiative ins Vereinsregister eingetragen, weil es immer wieder Missverständnisse gab, der Folkclub beschäftige sich hauptsächlich mit brasilianischer Folklore.

In der Satzung heisst es:

1) Der Verein verfolgt den Zweck, kulturell und volkskundlich bedeutungsvolle Musikfolklore in Münster und Umgebung hörbar zu machen und folkloristisches Kulturgut im allgemeinen zu fördern.

2) Zum anderen nimmt der Verein Aufgaben der kulturellen Jugend-Pflege wahr, und zwar nicht nur durch Hebung und Schärfung des Kulturverständnisses, sondern auch durch die Anregung zur Eigeninitiative und aktiven Ausübung der Folkmusik und verwandter Richtungen einschließlich Volkstanz.
Der Folkclub initiiert ferner:
Proteste gegen Mißstände auf dem Folklore-Gebiet, falls sie wirklich gravierend sind (gegen die immerwährende volkstümliche Schlagermusik sind auch wir allerdings machtlos). (FL)
Rund 60 Veranstaltungen pro Jahr bieten anglo-amerikanischen Folk, Blues, Chanson und europäische Volkstanzmusik. Viele der damaligen Interpreten sind heute vergessen, aber es treten auch Iain Mackintosh (-> FW#4, FW#15), Hamish Imlach und die Sands Family (-> FW#9, FW#17), Hans Theessink, Helmut Debus (-> FW#2, FW#10, FW#17) und Günter Gall auf.
Das Künstlerprogramm war immer gleichbleibend anspruchsvoll und vor allem zeitlos. Durch diese konsequente Gastspielpflege entstand in Münster ein anspruchsvolles und kritisches Publikum (schlechte und mittelmäßige Künstler sind enttäuscht, weil es nur Höflichkeitsbeifall gibt; gute Künstler erzählen immer wieder, in Münster das beste Folkpublikum in Deutschland angetroffen zu haben). (FL)
Die Veranstaltungen finden überwiegend in der Harsewinkelgasse 19/20 statt. Der Saal fasst etwa 150 Personen und wegen der Mietbedingungen herrscht striktes Rauchverbot. Für das ausschließlich studentische Publikum ist Pünktlichkeit angesagt: Die Konzerte beginnen um Punkt 20 Uhr, Einlass ist nur bis 20:10. Sie kosten 3,- DM für Mitglieder des Folkclubs und 3,50 für andere Besucher.

Daneben werden Workshops und Ausflüge organisiert. Amateurmusiker können sich bei einer regelmäßigen Langen Nacht präsentieren. Die treibende Kraft des Folkclubs damals ist Willy Schwencken, der im benachbarten Nottuln das Folk-Label Autogramm betreibt.

Der monatliche Folkletter informiert über anstehende Veranstaltungen. Zudem gibt es Hintergrundberichte sowie Konzert- und Plattenrezensionen: streng und provokativ: aber nur so können sie ihren Zweck erfüllen, zur Hebung des Folkniveaus allgemein. Der Jahresbeitrag des Folkclubs von DM 5,- im Kreis Münster und 10,- ausserhalb versteht sich als Unkostenersatz für Druckkosten und Porto.

The Sands Family In den ersten fünf Jahren pendelt sich die Mitgliedschaft zwischen 100 und 120 Personen ein. 1978 wird die 200er-Marke durchbrochen. Interessant ist eine Mitgliederstatistik aus dem Jahr 1976:

60% wohnen in Münster-Stadt,
5% in umliegenden Gemeinden,
30% im übrigen Bundesgebiet.
 
70% sind männlich,
30% weiblich.
 
25% bevorzugen Folk(song) im angloamerikanischen Sinn,
25% Folklore International,
20% Deutsche Folklore,
15% Blues,
10% Folkrock,
5% Sonstiges (Volkstanz, Jazz, Klassische Musik, Pop).
 
20% musizieren oder singen selbst.

Nur: Erstaunlicherweise (oder auch nicht) gab es keine Nebeninteressennennungen in Richtung Schlager und Country & Western.

Das zweite Kind des Folkclubs - oder vielleicht besser sogar, das erste - ist das Interfolk-Festival, das ab 1968 im Haus der Jugend in Osnabrück abgehalten wird. Zunächst zweimal im Jahr - das Wochenende vor Ostern und das letzte Wochenende im Oktober -, ab 1976 nur noch im Frühjahr.

Das Interfolk-Festival versteht sich als kultureller Treffpunkt für Folklore hauptsächlich aus dem abendländischen Kulturkreis. Das Festival wendet sich ausschließlich an ernsthafte Folk-Interessenten. Um auch äusserlich den Eindruck eines Pop-Ersatzfestivals zu unterbinden, sind die Mitnahme von alkoholischen Getränken usw. in die Konzertsäle untersagt und Rauchen nicht gern gesehen, so dass sich alle Besucher auf das künstlerische Geschehen konzentrieren können. (IF)

Schließlich stehen so um die 25 Folk-Festivals im Jahre 1976 allein in Deutschland ins Haus (noch im Jahre 1971 stand Interfolk als einzige Festivaleinrichtung in Deutschland allein da), welch ein Wandel also. Was die qualitative Frage betrifft, so könnte man doch manchmal noch verzweifeln. Solange sich das Fachpublikum noch zweit- bis viertrangige Künstler unterjubeln lässt und dann noch vielleicht noch fast frenetisch feiert, hat die Folk-Kultur noch nicht immerwährenden Fuß gefasst. (IF)
Karten gibt es nur im Vorverkauf, das Interfolk ist zumeist ausverkauft. Darum kann es sich das intime Forum ohne Massenpsychose auch leisten, diejenigen, die in Folkfestivals nur eine Art Kulisse zum Saufen usw. sehen, herzlich bitten, dem Interfolk fern zu bleiben. Auf einen geringen Bierumsatz wären wir erst recht stolz.

Fiedel Michel & Co.

Um den Folkclub herum, formieren sich eine Reihe von Gruppen, am bekanntesten Fiedel Michel (-> FW#12). Die späteren Mitglieder der Hausband des Clubs sind 1972 von einem Konzert der flämischen Gruppe Rum (-> FW#25) und den traditionellen Liedern und Tänzen sofort fasziniert: Fiedel Michel, www.folker.de Zunächst Martin Hannemann (Gitarre, Gesang), Michael Thaut (Mandoline, Geige) und Thomas Kagermann (Geige), später zusätzlich Elke Herold (Flöte, Geige, Gesang), Monika Hawel (Gitarre, Gesang) und der unlängst verstorbene Mick Franke (Bouzouki).

Das Album Fiedel Michel No. 1 (1973) erweist sich als Initialzündung des sogenannten Deutschen Folkrevivals mit unprätentiosen fetzigen Musizieren deutscher Volkstanzmelodien. 1979 und 1981 werden sogar zwei Alben im Dubliner Windmill Lane Studio aufgenommen, weil es bei uns in der BRD nach wie vor kaum Produzenten und Tontechniker gibt, die auch etwas vom Fach Folk-Musik verstehen. Musikalische Gäste sind die Piper Paddy Moloney (Chieftains -> FW#7, FW#8, FW#13, FW#22) und Davey Spillane sowie Saxophonist Keith Donald (Moving Hearts -> FW#24).

Die Lieder von Fiedel Michel & Co. sind im Laufe der Zeit vermehrt politisch motiviert. Die Ballade von den zwei Königskindern wird beispielsweise mit der Begründung aus dem Repertoire genommen, das Lied stamme offenbar aus einer aristokratischen Tradition und sei daher reaktionär.

War für Elster Silberflug der 1. Mai ausschließlich der Feiertag des Frühlingsbeginns, so wurde die Liederauswahl der Michels für dieses Konzert dem Doppel-Charakter des Tages schon eher gerecht. Nach einigen Tänzen und einem Frühlingslied widmete Elke das Lied Mein Vater wird gesucht dem Kampftag der Arbeiterklasse. Nachdem sie in ihrer Ansage den aktuellen Bezug hergestellt hatte (§88a etc), trug sie das Lied sehr überzeugend vor, und als sie dann den anschließenden Beifall mit erhobener geballter Faust entgegennahm, wirkte das nicht wie eine überflüssige, peinliche Geste, sondern war der ehrliche Ausdruck der in diesem Lied ausgesprochenen Überzeugung. Als ich zwischen den Leuten saß, denen man ansah, dass sie nicht zu dem studentischen Publikum gehören, was man von den münsterschen Auftritten der Michels gewöhnt ist, sondern von denen man eher den Eindruck gewinnen konnte, dass das ihr erstes Konzert mit deutscher Folklore (mit entsprechenden falschen Erwartungen in Richtung Fischer-Chöre-Folklore), bekam ich zunächst einige Zweifel, wie wohl diese politischen Lieder aufgenommen würden. Doch es folgte eine angenehme Überraschung: diese Lieder wurden mit noch stärkerem Applaus bedacht als z.B. die Tänze der Michels. So gab es während der Wacht am Rhein lauten Applaus auf offener Bühne nach der Strophe über das geplante KKW Uentrop und den Kampf dagegen. (FL)
Nur wenn die traute Melodei aus teutscher Volkslied-Truhe von scheinrevolutionären Wandervögeln angestimmt wird mit linker Leier, geht das Volkslied als Folk in Ordnung, ätzt damals Reginald Rudorf.

Mit einer anderen Gruppe - Bantelhans - ist Manni Kehr unterwegs. Fortschrittliche historische deutsche Volkslieder wie neue aktuelle Songs stehen auf dem Programm. Zum 1200jährigen Stadtjubiläum Münsters initiiert Kehr die 16köpfige Folk-Big-Band Und ewig s(w)ingen die Rieselfelder; heute musiziert er mit Hans-Gerd Lietzke als T.Öttchen und P.Umpernickel. Jochen Schepers

Münster war, was den Volkstanz anging, ohne Zweifel ein Zentrum nicht nur NRWs, sondern Deutschlands. (B. Hanneken -> FW#23)

Mit der Volksliedwelle kommt auch der Volkstanz zu neuen Ehren. 1976 wird eine Volkstanzgruppe gegründet, die jeden Dienstag in der Gaststätte Mauritius (Warendorfer Str.) übt, im Mauritius-Saal mit den faschistoiden Enblemen der Marinekameradschaft, die dort ihr Stammlokal hat.

Ulrich van Stiprian gibt, um dem Volkstanz seinen Käseglockenhauch zu nehmen, 55 Volkstänze mit Noten, Anekdoten, Tanzbeschreibungen und Hintergrund-Infos im Selbstverlag heraus. Joachim Kamp (Concertina, Akkordeon), Jochen Schepers (Geige, Mandoline -> FW#24) und Detlev Bruns (Bouzouki, Geige, Mandoline) gründen Töätendierk, deren Repertoire traditionelle Volkstänze aus Norddeutschland sowie plattdeutsche Lieder und Balladen umfasst.

Aber der

kommerzielle Boom hat die Folklore gepackt. Für Fahrtkosten und Freibier allein tut es schon lange keiner mehr - es muss auch etwas dabei rumkommen. Die Folkclub-Veranstaltungen laufen mittlerweile auch nach Schema F ab: Der Künstler kommt, tritt auf, kassiert und geht. Volksmusik als Konzert anzubieten, scheint mir von vornherein pervers zu sein: Das Und jetzt alle mitsingen wird zum Ritual, die Situation eines Folkies unterscheidet sich nicht viel von der eines Heinos oder Roy Black oder ... (FL)
Um 1980 bricht nicht nur der Deutsch-Folk-Boom zusammen, die 80er-Jahre bedeuten einen konjunktureller Abschwung für Folkmusik weltweit. Bands wie die Pogues treten eine neue Welle los, aber deren Hörer gehen nicht in die Folkclubs. Die Fiedel Michels versucht sich noch vergeblich mit Falckenstein, einer Folk-Rock-Band nach britischem Vorbild, um erst wieder 1998 zum 25jährigen Jubiläum auf die Bühne zu treten.

Der Folk-Treff
Man könnte einwenden: Ein Förder- und Kulturverein in Sachen Folk sei heute nicht mehr vonnöten, da das Folkinteresse inzwischen breite Bahnen gezogen hat. Aber weil es oft nicht die richtigen Bahnen sind, ist eine Folk-Initiative ebenso motiviert wie im Gründungsjahr 1968, obschon damals das Hauptgewicht mehr missionarischer Art war. (FL)
So heisst es 1976. Wenige Jahre später stellen die Folkclubmitarbeiter ernüchtert fest:
Es ist hier in Münster nicht gelungen, den Club mit einem breit gefächerten, relevanten Programm so zu institutionalisieren, dass er sich finanziell selbst tragen kann. Der Trend geht zu Groß-Veranstaltungen und zur Kneipenszene, wo die Musiker meistens nur der Bier-Umsatz-Steigerung dienen. (K. Ahlbrand)

Folk hat in Münster eine lange Tradition, aber die Musikrichtung scheint bei der Computer-Generation der 80er Jahre Schnee von gestern zu sein. Es sieht fast so aus, als glaube die heutige Jugend, Folk-Musik sei das gleiche wie Volksmusik. (W. Struwe-Kubach)
Die Gage für ein normales Konzert in der Harsewinkelgasse liegt zwischen 300,- und 350,- DM. Dazu kommen 40-, bis 60,- DM Saalmiete. Ausgehend von ungefähr 70 Besuchern pro Konzert z.Zt. und einem Eintritt von 3,50 DM für Mitglieder und 4,50 DM für Einstürzende Heuschober 2003 Nichtmitglieder ... Während Sammy Vomacka, Alex de Grassi und Cochise (-> FW#25) noch rund 200 Zuschauer anziehen, sind es bei Eric Bogle (-> FW#1, FW#15, FW#19) gerade noch 60, bei Colum Sands (siehe CD-Rezension in dieser Ausgabe) 40. Selbst Dick Gaughan (-> FW#9, FW#23, FW#25) beschert dem Club ein finanzielles Minus.

Das Damoklesschwert der roten Zahlen liegt permanent über dem Club. Der Mitgliedsbeitrag beträgt mittlerweile 12,- bzw 15,- DM. Der Mitarbeiterstab schmilzt von etwa 12 Personen (1979) auf 4 bis 5. Man liest - und es klingt geradezu aktuell -: Unsere Gläubiger sind vor allem das Finanzamt (in Sachen Ausländersteuer) und die GEMA. Ohne die von AStA und Hippopotame gedruckten Handzettel wäre der Folkclub wahrscheinlich schon lange finanziell vom Fenster. Hinzu kommen programmatische Verirrungen wie Comedy, Kabarett und Kleinkunst.

Eine neue Besatzung übernimmt 1984 das Kommando, der Dampfer heißt fortan Folklore-Treff, später in Folk-Treff gekürzt. Heimathafen wird das Bürgerhaus im nördlichen Stadtteil Kinderhaus. Es gelingt 1986 einen jährlichen Zuschuss von der Stadt einzuwerben. Das Konzept ist nicht gerade neu: Nur wirklich gute Musiker werden verpflichtet. Bei niedrigen Eintrittspreisen soll sich das Publikum blind auf seine Veranstalter verlassen können. Anfangs ist man noch euphorisch:

Der jetzt eingerichtete Folklore-Treff in Münster-Kinderhaus soll jene Lücke Brian McNeill & Iain MacKintosh im Kulturangebot schließen, die sich in den letzten Jahren und vor allem Monaten zunehmend aufgetan hat. Die Zeiten für Kultur, speziell für Musikfolklore seien nicht rosig. Wer so etwas als Entschuldigung von sich gibt, macht es sich zu leicht. Fest steht: noch nie war das künstlerische Niveau deutscher Folk-Künstler so hoch wie heute; zu keiner Zeit gab es mehr Folkmusik-Anhänger als heute; Schallplatten mit Folklore-Musik werden anzahlmäßig so lebhaft gekauft wie nie zuvor, wobei das quantitative und auch qualitative Angebot von Folk-Platten und somit auch Künstlern heute ungleich höher ist als während der angeblich goldenen 70er Folkjahre.
Es ist eine Zeit, in der Brian McNeill (-> FW#4, FW#10, FW#10, FW#19) im Münsteraner Erphoviertel wohnt, was auf seiner Platte The Busker (1990) dokumentiert ist. Durchschnittlich 50 Zuschauer nehmen das Angebot des Folk-Treffs wahr. Zu den McCalmans (-> FW#1, FW#3, FW#10, FW#23) kommen sogar mal 170 Personen, zu Altan (-> FW#2, FW#8, FW#14, FW#22) 150. Vadhya Sangama andererseits hat aber fast mehr Inder als Deutsche angelockt.

Das Stadtblatt legt 1988 die Probleme offen:

- Das Problem, bei den monatlichen Konzerten ein vielseitiges Angebot zu bieten, liegt darin, dass irische und schottische Gruppen weitaus publikumswirksamer sind (mit beispielsweise hundert Besuchern), als deutsche Gruppen mit den gleichen oder besseren Qualitäten (mit frustrierenden zwanzig Besuchern).

- Szenemäßig liegt mittlerweile eine Verschiebung von Nord- nach Süddeutschland vor.

Wegen des nicht befriedigenden Besucherinteresses wird bald wieder in die Stadt umgezogen. Die Stationen heissen Kreativhaus, Cuba, Blechtrommel. 1993 findet der Folk-Treff ein Zuhause im Bennohaus, dem zum Stadtjubiläum neueröffneten Stadtteilhaus am Dortmund-Ems-Kanal.

Es werden neue Akzente gesetzt: Eine musikpädagogische Reihe Folk für Kinder, bei der auch Wahlmünsteraner Pit Budde (Cochise) mit seiner Gruppe Karibuni (-> FW#19, FW#24, FW#26) debütiert, der Tanz in den Mai Pigeon on the Gate All Star Band 2002 mit den Einstürzenden Heuschobern und jeden 1. Sonntag im Monat geht der Folk-Treff im Münsteraner Bürgerfunk auf Sendung.

Endgültiges Aus für unseren Club? (1981) Gehen beim Folktreff bald die Lichter aus? (1990) Ist die Zukunft des Folk-Treffs gefährdet? (1996) Folk-Treff vor dem Aus? Krisenstimmung: Nachwuchs fehlt! (1997) Kurz vor dem Aus! (2002)
So lauten unisono die Schlagzeilen der vergangenen Jahre. Zum Millennium verlagert sich der Folk-Treff aufgrund eines neuen Vorstandes mit einem fast ausschließlichen Gitarristen- und Liedermacherprogramm ins Kreativhaus, um 2002 wieder reumütig ins Bennohaus zurückzukehren. Seit 1,5 Jahren wird nun wieder ein gemischtes Folk-Programm geboten: Jochen Schepers (-> FW#24), Halvorsen & Bruvoll (-> FW#26), Jim Malcolm (-> FW#24,FW#25) und das Pigeon on the Gate-Festival (-> FW#24), um nur einige Beispiele zu nennen.

Totgesagte leben länger

Was bleibt? Ökonomisch ist Folkmusik in Münster (und anderswo) schon lange nicht mehr. Qualität zieht eben nicht unbedingt ein hinreichend großes Publikum an. GEMA, Künstlersozialkasse und Ausländersteuer setzen finanziell zu. Nur dank eines jährlichen Zuschusses des städtischen Kulturamts ist es überhaupt noch möglich, um sozial-verträgliche Eintrittspreise bemüht, Konzerte zu veranstalten.

Die gesamte Vereinsarbeit ruht dabei auf den Schultern von 3 bis 4 Aktiven. Organisieren und sich engagieren steht in der Konsum- und Spaßgesellschaft wenig im Kurs. Es gäbe durchaus genügend Folkmusiker in Münster, aber von einer Folkszene im eigentlichen Sinne kann keine Rede sein.

Aber bedenkt, Leute! Wie sähe das Konzertangebot in Münster ohne den guten, alten Folkclub aus?

Jedenfalls gilt: Alle, die in den vergangenen 35 Jahren die Fackel des Folks in Münster hochgehalten haben, dürfen sich jetzt einmal selbst auf die Schulter klopfen.

Herzlichen Glückwunsch zum 35sten! T:-)M


O-Töne 1968-2003

Eine Liste aller Künstler würde sich wie das Verzeichnis zu einem Folklore-Lexikon lesen. (Ultimo)

Iain MacKintosh (SCO) > 18
Einstürzende Heuschober (D) = 18
Fiedel Michel (D) ≥ 14
Hamish Imlach (SCO) ≥ 13
Gerry Lockran (GB/IND) ≥ 12

Al O'Donnell (23.02.76): Im Argen liegt es auch bei der irischen Folklore. Die ist bekanntermassen sehr populär. Aber wenn heute so Klischeegruppen wie Irish Mist, Wild Geese, Tara und wie sie alle heissen mögen, sich mehr oder weniger in Deutschland niederlassen (während sie in Irland niemand kennt), so ist das nur die sichtbare Stelle eines faulen Zahns, der da gezogen werden müsste. (IF) Deshalb reitet der Folkclub auch gar nicht kommerziell auf der irischen Welle. Aber: Al O'Donnell ist der beste Sänger des irischen Folkrevival. (FL)

17. Interfolk-Festival (9.-11.04.76): Dem Schwerpunktthema Volkstanz war es in erster Linie zu verdanken, dass mit Gruppen aus Schweden, Spanien, Großbritannien, Holland, der Bretagne und Deutschland eine ungewöhnliche Breite an Internationalität geboten wurde. Es müsste eigentlich für ein deutsches Folkfestival auf deutschem Boden eine Fiedel Michel, www.folker.de beschämende Tatsache sein, dass von rund 25 Programmbeiträgen nur ganze vier von einheimischen Künstlern getragen wurden, von denen sich wiederum nur zwei dem Niveau der übrigen Darbietungen anpassten [Fiedel Michel, Ostfriesische Volkstanz- und Musikgruppe]. Das deutsche Folk-Pflänzchen kümmert weiter vor sich hin, fast ausschließlich fremde Klänge. So werden wir wohl auch in Zukunft hauptsächlich auf ausländische Gruppen und Solisten angewiesen bleiben. (FL)

Fiedel Michel (10.07.76): Die Michels haben - musikalisch gesehen - alles übertroffen, was bisher in Sachen deutsches Folk-Revival erschienen ist. Sie haben es auch als erste der traditionellen Gruppen geschafft, sich endgültig vom rein traditionellen Idiom zu lösen und so eine Art zeitgenössischer Folk-Musik zu schaffen. (FL) Hier wurde wohl der richtige Weg beschritten, um deutsche Folklore in unsere Zeit einzupassen, ohne dass zu viel verfremdet wird oder es sich ins Lächerlich-Naive bewegt. (FL)

2. Folk-Alternativ-Festival (1976): Wir wollen ein Folk-Festival, wo die Leute saufen können, rauchen können und sich unterhalten können. (FA) In den Augen vieler Jugendlicher hat sich die Rockmusik totgelaufen; sie beginnen nach Alternativen zu suchen und übernehmen dann bei Folkkonzerten die Elemente, die sie vom Rock her kennen (und lieben), eben vor allem die Rhythmik. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Der bei Konzerten und Festivals ständig steigende Alkoholkonsum. Bekannte, die mit eigenen Bands in und um Münster auftreten, erzählen mir, dass sie froh sind über jeden Auftritt, der ohne Zwischenfälle mit total angetrunkenen Jugendlichen über die Bühne geht. (FL)

Scottish Folk Concert (25.10.76): Hamish Imlachs weiche, ein wenig rauhe Stimme macht selbst aus einem abgedroschenen Song ein neues Kleinod. Da ist er bei der Ansage ein aufgeräumter Entertainer und beim Song ein umwerfender Stimmungsmacher. Dann kann er sich plötzlich vollkommen umkehren und Iain Mackintosh & Hamish Imlach verinnerlicht Balladen vortragen und das Publikum in eine stille Zuhör-Situation miteinbringen. In seiner schottischen Heimat ist der sehr korpulente Imlach so etwas wie ein nationales Symbol, so dass man ihn in zweideutiger Hinsicht als The Biggest Thing in the Scottish World bezeichnet. (FL) Ein einziges Festival, dass 11. Interfolk, machte Iain MacKintosh schlagartig bei Insidern in Mitteleuropa bekannt. Er kam, sah und siegte. Wenn es in der heutigen Folkszene so selten zu beobachten ist, dass ein Künstler erst im fortgeschrittenen Alter groß auffällt und Karriere macht, so liegt der Grund sicher in der Ungeduld der Folkaktiven im jugendlichen Alter. Sie wollen oder können nicht abwarten und exponieren sich dann zu früh und verlieren nach Enttäuschungen vielleicht den Mut, hören auf, statt wie Iain MacKintosh sich erst das Rüstzeug, das Wissen und die menschlich-künstlerische Reife im wahrsten Sinne des Wortes zu erleben. Unter diesen Vorzeichen gäbe es heute vielleicht gottseidank weniger langweilende, weil nichtssagende, Folksolisten, aber nach zehn oder 20 Jahren wären wir um einige gesetzte und aussagereiche Folksänger reicher! (FL)

Eric Bogle (16.02.77 & 05.04.77): Wir waren die ersten Folks, die ihn auf dem europäischen Kontinent hören konnten. Hier ist ja endlich der Liedermacher, der alles so schlicht und dennoch genial macht. Alles ist so ausgewogen: eine einfache und neue, echte Melodie; ein Ohrwurm; volksliedhafte poetische Texte, die engagiert sind, aber keine billige Agitation beinhalten. Wenig später fliegt Bogle endgültig nach Australien ab und lässt sich reamateurisieren, weil er glaubt, dass man nur als Amateur ein echtes Folkie-Leben fristen kann und sich die Substanz fürs Liedermachen erhalten kann, ohne den Leistungsdruck der Musikindustrie. (FL)

Zupfgeigenhansel (27.06.77): Die meisten Volkslieder richten sich offen oder versteckt gegen die Herrscher, die Unterdrücker und Ausbeuter. Diese Lieder wurden den Menschen vorenthalten, dafür wurden ihnen andere verkauft. Lieder mit harmlosen oder dummen Texten, die das Volk ebenso dumm machen sollen. Davon spürt man heute noch viel, man braucht nur bestimmte Radio-sendungen zu hören oder in die Schallplattenabteilung eines Warenhauses zu gehen. - Gibt es keine Ungerechtigkeit mehr, keine Ausbeutung, keinen Krieg? Arm und reich? Keinen Anlass zum Spott? Sicher, die Fürsten heissen nicht mehr Fürst. Das Volkslied soll ja auch fortgeschrieben werden, für uns ist ohnehin nicht nur Volkslied, Toenne Vormann, www.muenster.de/~stadl/ToenneVormann/ was man entstauben muss. Wir wollen keine Nostalgie, das ist nicht unsere Sache. Wir wollen Lebendiges. (Zupfis)

Tönne Vormann (14.08.77): Auch im Münsterland müsste ein brauchbares Liedgut vorhanden sein. Dies beweist nicht zuletzt die Platte von Tönne Vor-mann, die ich vor etwa zwei Monaten bei einer älteren Dame aufstöberte. Über die musikalischen Fähigkeiten lässt sich streiten, zudem ist dieser Mann nicht mehr der jüngste, aber dieser Perfektionismus, der auch schon von den noch relativ jungen deutschen Folkgruppen an den Tag gelegt wird, kann einem manchmal die Lust am Spiel der Volksmusik ein wenig vergällen. (FL)

Bantelhans (17.01.78): Wer spielt denn heute abend? fragte ein Brücken-Besucher einen anderen. Och, antwortete dieser, das ist Bantelhans, eine revolutionäre Volkstanzgruppe. Man sang gegen alles, was auch nur den Hauch von bürgerlich hatte und für alles, was irgendwie unter fortschrittlich verstanden werden konnte. Also: Ich bin der arme Kunrad, weil es aus dem Bauernkrieg kommt und der ne gerechte Sache gegen Feudalismus und so war. Und Freifrau von Droste Vischering, weil es schließlich gegen die Kirche ist, die ihren Ruhm auf Gespenster und Wundereien aufbaut. Es soll ja auch andere Lieder geben, aber die singt man bei Bartelhansens nicht - wenigstens solange nicht, wie einem eine anti-klerikale-feudale-kapitalistische-faschistische-heinoistische oder weiss-der-wer-weiss-es-was Erklärung fehlt. Glücklicherweise fällt einem oft eine ein, denn auch Dat du mien Leevsten büst ist schließlich politisch, und das Lied vom Kuckuck auch. Oder nicht? Verdammt, dann müssen wir es wieder streichen - obwohl es immer so gut ankam. (FL)

Gerry Lockran (20.04.78): Da kann man von ihm soundsoviel Konzerte gehört haben, und nie gleicht eines dem anderen. - Gerrys Vater ist Ire, seine Mutter Inderin. Neben Gerry Lockran, www.gerrylockran.com der allgemeinen Musikbegeisterung wurden Gerry über das Skiffle-Repertoire Zusammenhänge in der US-Folkmusic klar, nebenher ergaben sich aus der Repertoirekenntnis für ihn die Probleme der historischen Sklavenzeit, die über die Rassen-Probleme in veränderter Form bis in unsere Tage reichen. Ja, Gerry musste diese Gefühle in London am eigenen Leib erfahren. So gesehen haben viel seiner Lieder über Neger-, Sklaven- und Rassenprobleme einen gewissen persönlichen Erfahrungshintergrund. Überhaupt: Die Mischung aus irischem Musikgefühl - von lebenslustig bis schwermütig - und der indischen Kultureinstellung mag ein seltenes und glückliches Erbe für einen Musiker und Sänger sein. (IF)

Cochise (06.02.80): Die neue Gruppe um Pit Budde gehört zu den interessantesten und auch wichtigsten Erscheinungen der zeitgenössischen deutschen Folk-Szene. Ihr Repertoire umfasst vor allem selbstgeschriebene deutsche Songs, die sich kritisch mit unserem bundesdeutschen Alltag auseinandersetzen. Der Ausgangspunkt ist sicherlich der Folk, doch werden dabei unterschiedlichste Elemente der populären Musik, aber auch des Jazz und der Klassik eingewebt oder miteinander kontrastiert. (FL)

An Delen Dir (29.05.80): Der Redakteur vermerkt an dieser Stelle mit klammheimlicher Freude, dass der Polizeichor Münster, der im Nebenraum übte, zur Halbzeit das Handtuch warf, so dass die 2. Hälfte des Konzertes nicht weiter durch unvorhergesehenen Harmoniegesang getrübt wurde. (FL)

Delta Blues Band (19.07.80): Der deutschsprachige Blues ist im Kommen. Die Kombination deutsche Texte + schwarzer Blues geht da Hand in Hand: Die Schwarzen setzen sich mit ihrer Musik mit einem Alltag auseinander, der sich von unserem hier und heute gar nicht so groß unterscheidet: Arbeitslosigkeit, Ausbeutung, das Ghetto-Gefühl von Beton-City. Probleme werden ohne Patentlösungen aufgezeigt, und ansonsten schafft man sich über seine Musik Luft. Mit anderen Worten: eine Musik bieten, die losgeht, ohne aber die Probleme des Alltags zu verdrängen, das Denken abzuschalten und die Musik so zum Flucht-Mechanismus zu degradieren. (FL)

Ernie Rissmann & Sigi Grundmann, Kabaret Rechtsausleger (12.02.81): Das Schülerkabarett Rechtsausleger vom Hittorf-Gymnasium mit Auftrittsverbot an der eigenen Penne bringt an diesem Abend seine Szenenfolge Wir stehen auf das Grundgesetz. Ernie und Sigi kommen auch vom Hittorf. Vielleicht hilft der Abend so, der rückläufigen Tendenz hinsichtlich der Schülerzahlen der genannten Penne mit christlich-konservativem Einzugsgebiet via größerer Popularität ein Ende zu setzen. (FL)

Töätendierk (19.06.86): Wer Töätendierk zuhört, erlebt gewissermassen Volksmusik pur. Märsche und Walzer werden spielbar, ohne auch nur eine Spur von Kitsch zu erzeugen. Ob das einzige Seemannslied der Westfalen oder ein plattdeutsches Anti-Kriegs-Lied gespielt wird, die Instrumentierung wirkt immer frisch. (MZ) Seit zehn Jahren machen sich die Studenten Johannes Detlev Bruns, Joachim Kamp und Jochen Schepers mit der Präsentation alter Volkstänze, Gedichte und Volksweisen aus dem Westfälischen einen Namen. Und alles auf Platt, versteht sich, damit der volkstümliche Charakter nicht verloren geht, sondern ein Stück Volksseele herüberkommen kann. (WN)

The McCalmans (20.10.88): Dass sich die McCalmans größter Popularität erfreuen, zeigte nicht zuletzt die Tatsache, dass rund 200 Zuhörer in die Agora des Bürgerhauses gekommen waren: Vom Niederrhein und aus Holland hatten die Fans des Trios den Weg in den Norden Münsters gefunden. Trockener Humor und Spontanität auf der Bühne lassen jeden noch so dummen Witz lustig werden: In Schottland gibt es 80 gute Musiker. Als wir das Land verließen, waren es immer noch 80. (WN) Hochgewachsen, stämmig, trinkfest und bestens bei Laune und Stimme. Mit ihrem knochentrockenen Humor, pfiffigen Witz und schottischem Charme ziehen sie die rund 170 Folk-Fans in den Bann. Und gegen Ende stehen die drei McCalmans ohne Mikro vor der Bühne und stimmen mit einem Glas in der Hand letzte Melodien an. (MZ)

Limerick Junction (22.06.89): Eine irische Band ohne Iren galt einmal eher als Witz. Es wird Zeit nochmal darüber nachzudenken. Nimmt irische Musik jetzt tatsächlich eine wirklich internationale Dimension an - so wie American Jazz? (Irish Times)

Und ewig s(w)ingen die Rieselfelder (13.01.91): 16 Musiker aus Gruppen, wie Gaitling, Die ungeküssten Frösche, der Chor Münsteraner Gewerkschafter-Innen, Töätendierk, geben einen Querschnitt durch 500 Jahre münsterländisches Liedgut. In alten und neuen Liedern, auf platt- und hochdeutsch, wird ein musikalischer Bogen gespannt von der Zeit der Täufer bis zur Epoche der Parkhäuser, von Napoleon bis Lambertus, vom harten Arbeitsleben zum wilden Tanzvergnügen. (FT)

1. Tanz in den Mai mit den Einstürzenden Heuschobern (30.04.92): Mitternacht auf dem Domplatz: Eine Polizeistreife traut ihren Augen nicht. Gestalten Einstürzende Heuschober 2003 spielen auf der Flöte, dazu ein Akkordeon und Gitarren. Plötzlich greifen die Musikanten sich an die Hände, kreiseln herum und lachen dazu. Mißtrauisch nähern sich die Uniformierten der Gruppe und erkennen schließlich, dass weder Okkultisten noch Aufrührer eine Versammlung abhalten. Die Einstürzenden Heuschober feiern eine Folk-Session und tanzen dazu. Tanzmusik, wie sie beinahe in Vergessenheit zu geraten drohte: Polka und Rheinländer, bretonische und schottische Tänze. Mit wehenden Haaren und fliegenden Röcken wirbeln die Tänzerinnen und Tänzer im Kreis herum. Damit auch Ungeübte den Spaß am gemeinsamen Tanz erleben können, scheuen die Musiker sich nicht, in einer Trockenübung die Schrittfolge vorzuführen. Unbeschwert und locker statt ernst und miefig, wie es oft diesem Genre zugeschrieben wird, soll die Atmosphäre bei ihren Konzerten sein. Den meist jüngeren Zuhörern und Mittänzern bietet sich bei den Einstürzenden Heuschobern eine willkommene Alternative zum monotonen Discogedudel. (WN)

La Chantarelle (09.07.93): Die westfälische Bank, die äusserst unverkrampfte festliche Sitzordnung mit Männlein auf der einen, Weiblein auf der anderen Seite, ist schon sprichwörtlich geworden. Dass es auch anders geht, bewiesen Münsters Volkstanzfans auf der Folk-Treff-Tanzparty im Bennohaus. Denn mindestens genauso typisch ist der fröhliche Kreis: Die Herren innen, die Damen aussen marschiert man im Kreis. Wechselt die Musik, greift man zum gegenüberstehenden Partner - und dann wird losgewalzt. So bringt man selbst bei Westfalen Stimmung in die Runde. (MZ)

Duo Contraviento (10.06.94): Isabel Liphtay wurde 1951 in Chile geboren. Auf Grund von Repression unter der Duo Contraviento Militärdiktatur emigrierte sie 1983 in die BRD. Als Teil des Duo Contraviento komponiert und spielt sie latein-amerikanische Musik und unterstützt Projekte in ihrem Land. (FT) In Lateinamerika sind Lieder immer Zeichen des Protestes und der Auflehung gewesen. Melancholisch oder voll sprühender südlicher Lebensfreude, finster und tief wie die Wälder des Amazonas oder hell und golden wie die Sonne im Zenit. Das Publikum soll mitmachen. Eine Mischung von Rasseln und Klopfen begleitet das Duo. (WN)

Fiedel Michel (08.05.98): Zum Teil barfuß, mit Bierchen kastenweise und munterer Fidel kamen nach einem Vierteljahrhundert Martin Hannemann, Thomas Kagermann und Mick Franke wieder zusammen, um das 25. Gründungsjubiläum ihrer Folk-Band Fiedel Michel zu zelebrieren. Der Saal des Bürgerhauses war bis auf den letzten Platz besetzt, und das Publikum amüsierte sich laustark. So lebten denn während des Konzerts die guten alten Zeiten wieder auf. (WN) Ach SPD, ich hab so oft noch so vergeblich drauf gehofft, du würdest wieder rot, doch dafür schämst du dich halbtot. Das SPD-Lied und andere Klassiker der münsterschen Folk-Formation Fiedel Michel werden wieder live zu hören sein. Rasend gut fand der Genosse Gerhard Schröder auf einem Konzert während eines Juso-Parteitags diesen linken Blick auf die SPD. Heute ist er Kanzler-Kandidat. Auch die Musiker von Fiedel Michel sind auch nicht mehr das, was sie mal waren: Aus den langhaarigen Kommunarden wurden Familienväter. Der Musik sind sie jedoch alle treu geblieben. (MZ)

350 Jahre Westfälischer Frieden - Lieder von Krieg und Frieden mit T.Öttchen & P.Umpernickel, Günter Gall & Uli Rüge (06.09.98): Auf dem Programm stehen Lieder aus der Zeit des 30jährigen Krieges und des ausgehenden Mittelalters. Dazu gehören der wohl bekannteste Kommentar zum Kriegsgeschehen jener Zeit Es geht eine dunkle Wolk herein ebenso wie der Münsterische Postillon, eine Ballade, die der Bevölkerung der Stadt Münster die Bedeutung des Friedensschlusses vermittelt. Dabei steht nicht die große Politik im Vordergrund, sondern das Erleben und Empfinden der kleinen Leute in dieser schweren Zeit.

Karibuni (07.02.99): Indianer - dabei denken die meisten an Winnetou, Lagerfeuer und Kriegsgeheul. Solche Karibuni Klischees aber will der Ökotopia-Verlag mit seinem neuen Kinderbuchprojekt Fliegende Feder vermeiden. Kindern im Alter von 4 bis 10 Jahren soll das Wissen über fremde Kulturen spielerisch und ohne erhobenen Zeigefinger vermitelt werden. Die Kinder sollen für Probleme des Fremdseins sensibilisiert werden und mehr über ihre ausländischen Spiel- und Lern-Kameraden erfahren, so Josephine Kronfli, die gemeinsam mit Pit Budde das Buch verfasst hat. Dazu eigne sich Musik besonders gut. Die Gruppe Karibuni Watoto, was in Kisuaheli Willkommen Kinder heisst, hat deshalb mit verschiedenen indianischen Gastmusikern eine CD aufgenommen. Darauf finden sich sowohl moderne wie auch traditionelle Lieder, kein Marterpfahl-Geschrei, keine Synthesizer-Klänge, alles für deutsche Kinderohren hörbar. (WN)

Iain MacKintosh & Brian McNeill (15.05.99): Auf der einen Seite der schmale, graumelierte und fast schüchtern zurückhaltende Iain MacKintosh (doch stille Wasser sind tief!) und auf der anderen Seite der stämmige Brian McNeill, der von sich sagt: Ich bin dick und laut. Obwohl der Beginn musikalisch eher verhalten ausfiel, sang das Publikum schon gut mit (es blieb nicht das letzte Mal - von wegen sture Westfalen). (MZ) You'll need a friendly pub to give you notes for your mountain of small change. The Golden Ox, just outside Münster, was one of my favourites. The Gilden Shadows began in Münster. It's an attempt to bring together string quartet and strathspey; a description of the hall in the castle down there. (The Busker)

Iain MacKintosh (13.10.00): Der Anfang vom Ende: Altmeister Iain MacKintosh beginnt seine Abschieds-Tournee im Bennohaus. (WN) Wie kaum ein anderer versteht es Iain MacKintosh, allein mit sich und seinem Banjo auf einer kahlen Bühne Präsenz zu erzeugen und seine Zuhörer aller Altersgruppen tief zu berühren. Einem poetischen Moritaten-Sänger gleich, beweist er sich als Freund der Jochen Schepers Menschheit und gibt seine Lebens-Weisheit weiter. Sein trockener, schottischer Humor, seine lyrische Nachdenklichkeit werden uns fehlen. (MZ)

2. Pigeon on the Gate-Festival (01.11.02): Auch nachdem alle drei Gruppen [DeReelium, Walkin' Tom, Fiddlesticks] fast ein komplettes Set gespielt haben und es schon weit nach Mitternacht war, setzten die Musiker noch einen drauf: eine Session mit allen Beteiligten. Und was kann es eine bessere Bestätigung der Qualität der Musik und der Präsentation geben, als dass nach mehr als 5 Stunden Musik um halb zwei Uhr nachts das zahlreiche Publikum noch immer begeistert nach Zugaben schrie. (FW)

Jochen Schepers (29.11.02): Am Freitagabend gewährte der Münsteraner den Cuba-Besuchern auf der Geige einen künstlerischen Einblick in die schwedische Volks- und Hirtenmusik vergangener Jahrhunderte. Die mal fröhlich vertrackten, mal melodiös melancholischen Weisen der trinkfesten Spielleute. (WN) Die Münsteraner Zuschauer wurden vom Folk-Treff mit einem Schnäpschen begrüßt. Allerdings kein schwedischer Selbstgebrannter, so dass keine Erblindung zu befürchten war, einzig die Steigerung des Hörgenusses. (FW)

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